Die Einschüchterung der SRG-Mitarbeitenden
Im Rahmen eines zunehmend aggressiven Auftretens der „No Billag“-Befürworter wird massiv Druck auf die SRG-Mitarbeitenden gemacht.
Zwischendurch fuhren die „No Billag“-Initianten eine Vernebelungs-Taktik. Mehrmals beteuerten sie, ihre Initiative gehe keinesfalls gegen die SRG, sie selbst fänden gerade Informations-Sendungen der SRG gut und möchten diese auch in Zukunft nicht missen. Und Komitee-Vertreter versuchten sogar darzulegen, wie die SRG auch nach einem „Ja“ weiter existieren könne. Es gehe wirklich nur ums Gebührensystem – so wurde entgegen jeglicher Realität und allen Fakten argumentiert. Zu überzeugen mochte dieses Wirrwarr an Argumenten nicht, aber die Absicht war klar. Man versuchte zu vermitteln, es gehe gar nicht gegen die SRG („No Billag=No SRG sei falsch“), deren Programme doch weit verbreitet und beliebt sind.
Bei solcher Vernebelung wird leicht übersehen, mit welcher zunehmenden Arroganz die „No Billag“-Befürworter auftreten. Und dass dabei gezielt Druck auf die Mitarbeitenden der SRG ausgeübt wird.
Die wiederholten unbelegten Pauschalvorwürfe gegenüber den Mitarbeitenden der SRG haben System. Konkrete Belege oder Beispiele werden nie nachgereicht – aber die allgemeinen Behauptungen werden dauernd wiederholt: Die Programme seien nicht ausgewogen, der Journalismus sei staatsnah, die Diskussionen würden manipulativ moderiert usw.
Solche unbelegten Unterstellungen sind zwar falsch, zeigen aber Resultate. Die Redaktionen werden eingeschüchtert, die „Schere im Kopf“ beginnt zu wirken, die Redaktionsleitungen agieren zunehmend ängstlich.
Ein gutes Beispiel für diese Powerplay-Taktik ist das Verhalten des „No Billag“-Initianten Oliver Kessler, der (zu Recht) eine sehr ansehnliche Präsenz-Zeit auf den Sendern der SRG wahrnimmt – im Nachhinein dann aber jeweils klagt, die Sendung sei nicht ausgewogen gewesen. Und dabei Stimmung macht gegen Sendungen und Redaktionen. Noch dreister: Kessler verlangte gemäss SonntagsZeitung einige Minuten vor der Arena-Sendung ultimativ, das Sendekonzept sei gemäss seinen eigenen Vorschlägen umzustellen, er wolle auch das Interview mit Bundesrätin Leuthard führen.
Dazu passt, dass Freunde von „No Billag“ nach kontradiktorischen Sendungen organisiert kübelweise Beschwerden einreichen – und die Zahl der Beschwerden dann aufführen als Beleg, dass die Sendung nicht fair gewesen sei.
Dass es bei „No Billag“ gegen die SRG und deren unabhängigen Journalismus geht, zeigt SVP-Nationalrat und Weltwoche-Verleger Roger Köppel in seiner extrem aggressiven Rede vor dem Parteitag der SVP*. So griff er die SRF-Sendung Rundschau an: „Die Rundschau… macht die Opfer von kriminellen Hinrichtungsversuchen zu Tätern.“ Ein sehr massiver Vorwurf – selbstverständlich ohne Beispiele und ohne Belege. Und der Nationalrat stellt den öffentlichen Rundfunk in der Schweiz sogar in einen Kontext mit Staatssendern aus Diktaturen: „Denken Sie an die „Volksempfänger“ von Propagandaminister Goebbels in Nazi-Deutschland. Oder an Länder mit totalitärem Sozialismus, wie die frühere UdSSR oder die DDR, wo der Staat das staatliche Medienmonopol regelmässig zur Manipulation der öffentlichen Meinung gebraucht bzw. missbraucht hat.“
Köppel geht noch weiter in der Diffamierung von JournalistInnen der SRG. Ein weltweit anerkanntes und vom Schweizerischen Presserat erlaubtes, aber auch klar geregeltes Rechercheinstrument für alle JournalistInnen, die verdeckte Recherche, diffamiert Köppel als Stasi-Methode der SRG: „Die SRG-Journalisten dürfen jetzt sogar Stasi-mässig mit versteckter Kamera herumschnüffeln, wie ein unsägliches Urteil des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte festhält.“
Seine Diffamierung der SRG-Programme und der journalistischen Leistungen gipfelt in der klaren Forderung: „Die vollständige Liquidierung der öffentlich-rechtlichen Medienanstalten ist in einer Gemeinschaft freier Bürgerinnen und Bürger ein dringendes Gebot der Zeit.“
Was Nationalrat und Verleger Köppel von der SRG erwartet, sagt er wenigstens klar und deutlich: „Dabei wäre ihre (SRG) Aufgabe eigentlich genau dieselbe wie jene der «Weltwoche». Oder der SVP. Sie müsste an den dicken, versteinerten und verkalkten Meinungs- und Machtmauern der Staatsfestung rütteln.“
Die No Billag-Initiative wird auch dafür genutzt, die SRG systematisch unter Druck zu setzen. Von Seiten „No Billag“ wird immer wieder betont, die SRG müsse nach der Abstimmung, unabhängig (!) vom Abstimmungsresultat, massiv verkleinert werden. Sowieso müsse eine Demokratie nach einer Abstimmung auch den Verlierern Rechnung tragen. Will heissen: Nach dem „No Billag“-Wirbel müsse die SRG so oder so massiv verkleinert und auf die Linie der SVP-Chefs getrimmt werden – Volksmeinung hin oder her. Und bereits vor der Volksabstimmung wird angekündigt, es folge die nächste Initiative gegen die SRG – womit der Druck auf die Mitarbeitenden der SRG aufrechterhalten würde.
Ist das die Logik bei Volksabstimmungen? Sagte je jemand von den damaligen Abstimmungs-Siegern, oft die gleichen Kreise wie die „No Billag“-Befürworter, man dürfe durchaus weiterhin Minarette bauen – aber einfach nur noch 42.5 Prozent der Gesuche bewilligen? (42.5 Prozent stimmten Nein). Oder es würden nach der Abstimmung über den Kampfflieger F/A-18 lediglich 57.2% Prozent der Flieger gekauft (42,8 % waren Nein-Stimmen)? Natürlich nicht – in solchen Abstimmungssituationen galt „the winner takes it all“.
Zur Einschüchterungs-Taktig gehört auch, Maulkörbe zu verteilen. Die falschen Vertreter einer – angeblich – liberalen Idee demaskieren sich selbst, indem sie zunehmend Meinungsäusserungen zu verhindern versuchen. Der Bundesrat dürfe sich nicht äussern, die Trägerschaft der SRG (ein privater Verein!) dürfe sich nicht äussern. Stimmen von „No Billag“-Gegnern werden als „SRG-Abhängige“ diffamiert. Und natürlich dürften sich die JournalistInnen der SRG nicht äussern – auch abseits der Sendungen als StaatsbürgerInnen nicht. Auch das zeigt Wirkung, indem zum Beispiel (rechtlich unhaltbar) Redaktionsleiter von SRF ihren Mitarbeitenden verbieten, als Privatpersonen an einer Kundgebung gegen „No Billag“ teilzunehmen.
Hier zeigt sich, welche politische Haltung, welcher Geist hinter „No Billag“ herrschen, wie die „No Billag“-Pseudoliberalen den freien Wettbewerb der Meinungen interpretieren.
Da gibt’s nur eins: Ein demokratisches, nüchternes Nein. Auch zur Verteidigung eines unabhängigen Journalismus und der Meinungsfreiheit.
von Philipp Cueni, freier Journalist, ehem. SSM-Sekretär für Medienpolitik
(* https://www.svp.ch/news/artikel/referate/entwicklung-der-schweizer-medienlandschaft/
11.02.2018 – 12:38