Newsrooms – Grossraumbüros: sinkende Produktivität und unzufriedene ArbeitnehmerInnen
Die Zusammenlegung von kleineren Büros im Medienbereich zu grossen Newsrooms ist seit einiger Zeit im Trend. Im Zusammenhang mit der sogenannten Konvergenz, welche die Zusammenarbeit verschiedener Medien fördern soll (Print, Online, Radio, TV), werden Newsrooms als dafür notwendiges Zentrum der Zusammenarbeit propagiert. Diese sind nichts anderes als Grossraumbüros für Medienschaffende, die team- und plattformübergreifend arbeiten sollen. Erfüllen die Newsrooms wirklich diese Zielsetzung und sind sie notwendig für die Umsetzung der Medienkonvergenz?
In den grossen Redaktionen der SRG, in grossen Zeitungsredaktionen (z.B. Ringier, AZ-Medien) und in konvergenten Redaktionen arbeiten die Medienschaffenden seit einiger Zeit in Newsrooms. Mit der Arbeit in Grossraumbüros wird die Vereinfachung der Kommunikation, die Verkürzung der Entscheidungswege und eine flexiblere Einsatzplanung angestrebt. Zentral dabei ist die Verbesserung der ressortübergreifenden Themenaufbereitung. In einer Umfrage unter medienschaffenden Frauen des SSM, die in der Infoabteilung von Radio SRF, im Schweizer Fernsehen und in der Redaktion der AZ-Medien arbeiten, zeigte sich, dass diese Erwartungen in diese Newsrooms kaum erfüllt werden und die Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen gross ist.
Newsrooms aus Sicht der Praktikerinnen
Die Anzahl der Arbeitsplätze in den Newsrooms der Befragten bewegen sich zwischen 30 bis 120, wobei meistens nicht alle Plätze besetzt sind. Das grösste Problem ist für alle der hohe Lärmpegel (es gibt Leute, die mit Oropax arbeiten), konzentriertes Arbeiten ist schwierig und es ist kaum möglich ungestört zu telefonieren. Das ist besonders im Medienbereich ein Problem, weil die Gespräche mit Auskunftspersonen für einen Beitrag oft vertraulich sind. Es gibt auch kaum eine Möglichkeit des Rückzuges, um ungestört konzentriert zu arbeiten. Die Ablenkung ist sehr gross, die Kontaktaufnahme geschieht durchaus nicht unkomplizierter als vorher in kleinen Büros. Ganz im Gegenteil, weil der Stresspegel schon höher ist, wird jede Unterbrechung als störend wahrgenommen, deshalb schreiben sich die Mitarbeitenden jetzt gegenseitig Mails und das, obwohl sie im gleichen Büro sitzen. Ein Problem ist der Mangel an Diskretion, man bekommt fast alles mit, auch Informationen, die eigentlich nur für eine Person bestimmt sind. Die Raumtemperatur (zu hoch oder zu tief) und die trockene Luft sind ebenfalls ein Problem und das teilweise schlechte Licht oder die Unmöglichkeit einmal aus dem Fenster sehen zu können. Die Medienfrauen fühlen sich auch mehr ausgelaugt von der Arbeit als vorher, die Produktivität sinkt und die Fehlerquote steigt. Es gibt kaum positive Aussagen zum Newsroom, nur hie und da ist eine bessere Konvergenz möglich, wenn Beiträge schnell produziert und auf verschiedenen Kanälen bereit gestellt werden müssen.
Studie bestätigt persönliche Aussagen
Diese Aussagen sind natürlich subjektiv und nicht repräsentativ, aber ein umfangreiche Befragung der Universität Luzern im Auftrag des SECO zu den Arbeitsbedingungen in Büros aus dem Jahr 2010 bestätigt diese Aussagen (mit 1230 Antworten). Die Antworten wurden nach Bürotypen und Bürogrössen ausgewertet, ab 16 Personen in einem Raum ist es ein Grossraumbüro. Als beeinträchtigste Faktoren wurden «Lärm im Raum» (Gespräche, Telefonate etc.), trockene und abgestandene/schlechte Luft und nicht angepasste Temperaturen genannt. Die Verhältnisse in kleinen Büros waren signifikant besser als in grossen Büros. Bei der Frage über die Zufriedenheit im Allgemeinen mit den Umgebungsbedingungen nahm die Zustimmung mit zunehmender Anzahl Personen pro Büro stark ab.
Bei der Arbeitsgestaltung werden Störungen und Unterbrechungen als beeinträchtigster Faktor genannt. Hier ist die Differenz zwischen den Bürotypen frappant. Die Störungen nehmen mit der Anzahl Personen im Büro kontinuierlich zu. Während es in Einzelbüros 9 % sind, beträgt der Anteil an Personen, die sich täglich mehrmals dadurch gestört fühlen in Büros mit mehr als 50 Personen 68.5 %. Je mehr Personen sich im Raum befinden, desto tiefer wird die Produktivität am Arbeitsplatz eingestuft. 90 Prozent der Befragten in Einzelbüros gaben an, dass es ihnen möglich ist produktiv zu sein, diese Zahl sinkt in Grossraumbüros auf 30 Prozent. Der Hauptgrund dafür ist die Einschränkung der Konzentration in grossen Büros. Bei der Frage nach krankheitsbedingten Absenzen zeigte sich, dass diese mit zunehmender Bürogrösse zunahmen. In Einzelbüros gaben knapp 50 % der Personen an, nie krankheitsbedingt abwesend gewesen zu sein; in Büros ab 16 Personen sank diese Zahl auf 30 %.
Das sind nur einige Resultate der Befragung, die durch andere Studien gestützt werden und klar zeigen, dass Grossraumbüros für Angestellte keine positiven Faktoren aufweisen. Sie sind nur im Interesse der Arbeitgeber, die damit Mietkosten für Büroräume einsparen und eine besser Kontrolle über ihre Angestellten erhalten. Ob sich das letztlich für diese wirklich lohnt, muss allerdings bezweifelt werden, wenn die niedrigere Produktivität, die längeren Krankheitsabsenzen und die allgemein grosse Unzufriedenheit der Angestellten in Grossraumbüros und Newsrooms berücksichtigt werden.
Gewerkschaften und Personalvertretungen gefordert
Die Personalvertretungen und Gewerkschaften sind in diesem Bereich gefordert und müssen sich seriös schulen und informieren über die Probleme der Grossraumbüros und Newsrooms. Dort wo es noch möglich ist, sollte die Neuschaffung von Grossraumbüros durch Information der betroffenen Angestellten über die vielen negativen Aspekte und dadurch aufgebaute Oppostition auf die Entscheidungsträger verhindert werden.
Dort, wo Grossraumbüros und Newsrooms schon existieren, sollen verschiedene Massnahmen die negativen Aspekte mindern. Folgende (nicht abschliessend) Faktoren müssen berücksichtigt werden:
- Lärm eindämmen durch verschiedenste Massnahmen (Meetingsräume, Ruheräume, Räume für konzentriertes Arbeiten, Trennelementen, Minderung Durchschnittspegel, Abstand vergrössern etc.).
- Raumklima verbessern durch verschiedene Massnahmen wie angepasste Temperaturen individuell regelbar, Luftfeuchtigkeit richtig regeln, Sonnenschutz und Zugluft angepasst regulieren auf dem neusten Stand der Technik.
- Ein gut geplantes Raumkonzept mit genügend Flächenbedarf (Einzelbüro von mindestens 8 – 10 m2, Grossraumbüro 10 – 12m2 mit einer Mindestbewegungsfläche von 1,5m2), ausgereiftes Beleuchtungskonzept ohne Blendung und hell genug (500 Lux).
- Soziale Stressfaktoren vermindern, keine Arbeit auf dem Präsentierteller, Einflussmöglichkeiten auf Arbeitsumgebung ermöglichen, Verhindern des Einblicks in Unterlagen und Daten durch Andere, Vermindern der Reizüberlastung durch Enge, sozialen Stress durch KollegInnen vermindern durch Einbezug des Personals bei der Erarbeitung von stressabbauenden Massnahmen.
Hintergrundmaterial: Hochschule Luzern (Technik und Architektur), SECO Staatssekretariat für Wirtschaft: SBiB-Studie: Schweizerische Befragung in Büros, 2010.
Edito-Artikel von 2015 zum neuen Somedia-Newsroom sowie weiteren Newsrooms bei Ringier und Tamedia
Claudine Traber, Gleichstellungsbeauftragte, Schweizer Syndikat Medienschaffender SSM