
Eine Fürsprecherin für kritischen Journalismus
Jeweils im August war Regula Bähler, die beste Medienanwältin der Schweiz, nicht erreichbar. Wer in dieser Zeit Rat und Unterstützung suchte, musste sich gedulden bis sie wieder zurück aus Salzburg war, wo sie Musik- und Theateraufführungen genoss. Die Salzburger Festspiele im August waren einer ihrer vielen kulturellen Fixpunkte im Leben. Das Abonnement buchte sie jeweils ein Jahr im Voraus. Auch in diesem Jahr beabsichtigte sie wieder, sich für einige Zeit aus dem Berufsleben auszuklinken und in die Kultur einzutauchen. Doch bei unserem letzten Telefongespräch war es für sie bereits klar, dass sie es nicht mehr schaffen würde. Die kurze, heftige Krankheit riss sie am 5. August 2022 aus dem Leben.
«creativelaw» hiess ihre Zürcher Anwaltskanzlei. Diese war eine Anlaufstelle für kritische Journalist:innen und Medien, Nichtregierungsorganisationen, Kulturbetriebe und für uns, die Mediengewerkschaft SSM «Schweizer Syndikat Medienschaffender». Ein Problem mit dem Urheberrecht? Eine Behörde, die ein Dokument nicht rausrücken wollte? Eine Klagedrohung eines potenten Unternehmens gegen eine Journalistin? Arbeitsrechtsverletzungen, Konkurrenzklauseln in Arbeitsverträgen, Kettenarbeitsverträge? Regula war immer eine kompetente, versierte und kreative Ansprechperson. Sie fand die juristischen Lücken und schlug geniale Vertragslösungen vor. Sie war die Spezialistin für Urheberrecht und das Öffentlichkeitsprinzip. Sie teilte ihr enormes Wissen, erklärte, ordnete ein, begründete und überarbeitete meine Entwürfe, so dass sie hieb- und stichfest wurden.
Als ehemalige Journalistin, sie arbeitete viele Jahre für die SRF-Sendung «Kassensturz», und Rechtsanwältin war sie eine Komplizin und Fürsprecherin für kritischen Journalismus. «Sie war so stark, intelligent, geistreich und so grosszügig. Ein Vorbild und ein Schutzengel», brachte es ein Mitglied auf den Punkt, als ich ihr die traurige Nachricht von Regulas Tod mitteilte. Regula war eine Komplizin und juristisch sehr versiert. Sie hatte eine aufgeschlossene, direkte und witzige Art. Ich werde die Gespräche mit ihr, ihren Humor, ihr Lachen, ihre fundierte Beratung und ihr Engagement für eine gerechtere und kunstvollere Welt sehr vermissen.
Judith Stofer
Gewerkschaftssekretärin Gruppe Private & Freischaffende
Bild: © Vera Markus