Argumente gegen die Halbierungsinitiative
Mit dem nationalen Auftrag, die Schweiz zu informieren, ist die SRG weit mehr als nur Schweizer Radio und Fernsehen: Sie ist identitätsstiftend, schafft Gemeinschaft und Kultur, weit über die Sprachgrenzen hinaus. Mit ihren audiovisuellen Inhalten erreicht die SRG die gesamte Bevölkerung via Radio, Fernsehen oder online und führt Qualitätsrankings an.
Die Halbierungsinitiative ist ein radikaler Angriff auf unsere mediale Grundversorgung der Schweiz. Bundesrat, Nationalrat und Ständerat lehnen sie deshalb deutlich ab.
Die Initiative hätte gravierende Folgen. Sie will die Haushaltabgabe für Radio und Fernsehen auf CHF 200.- senken und sämtliche Unternehmen von der Abgabe befreien. Dadurch würde der Abgabeanteil der SRG auf rund CHF 630 Mio. einbrechen und die SRG würde die Hälfte des heutigen Budgets verlieren.
Damit könnten zentrale Teile ihres heutigen Service-public-Auftrags nicht mehr erfüllt werden. Dieser Auftrag gilt für alle Sprachregionen und verlangt ein vielfältiges, unabhängiges Informations-, Kultur- und Unterhaltungsangebot für die gesamte Bevölkerung. Wie sich dieser Auftrag zusammensetzt, ist in der in der Bundesverfassung, dem Gesetz sowie der Verordnung für Radio und Fernsehen und in der Konzession geregelt.
Schon heute muss die SRG Kürzungen vornehmen. Durch die von Bundesrat Rösti verabschiedete Teilrevision der Radio und Fernsehverordnung 2024 muss die SRG insgesamt mit 17 Prozent weniger Mitteln arbeiten. Eine zusätzliche Kürzung durch die Halbierungsinitiative würde die mediale Grundversorgung massiv gefährden und die SRG in ihrer regionalen Verankerung schwächen – gerade in einer Zeit, in der private Medienhäuser aus Spargründen Angebote abbauen und die Rolle eines starken, unabhängigen Service public noch wichtiger wird.
Die gravierenden Folgen der Initiative lassen sich in sechs zentralen Argumenten zusammenfassen.
Mit einer Annahme der Initiative wird mit einem Verlust von rund 2450 Vollzeitstellen (entspricht ca. 3000 Arbeitsplätzen) bei der SRG und den damit verbundenen Schweizer Unternehmen gerechnet (je 2450 FTE).
Auf dem Arbeitsmarkt schlägt die Tätigkeit der SRG direkt und indirekt mit 10'500 vollzeitäquivalenten Arbeitsplätzen (FTEs) zu Buche. Damit verbunden sind die Beschäftigung von 13'500 Personen. Mit jedem Arbeitsplatz bei der SRG ist damit eine 91-Prozent-Stelle in anderen Unternehmen der Schweiz verbunden.
Mit der Annahme der SRG-Initiative würde die Bruttowertschöpfung der SRG um 47 Prozent sinken. Das führt zu einem spürbaren Rückgang von Einkommen und Konsumabgaben im Wirtschaftskreislauf. Gleichzeitig würden sowohl die Anzahl der von der SRG vergebenen Aufträge als auch ihre Investitionstätigkeit deutlich zurückgehen. Zusätzlich könnte die SRG vermehrt Aufträge an günstigere ausländische Firmen vergeben, statt an Schweizer Unternehmen, was die inländische Wertschöpfung weiter schwächt.
Gemäss Art. 93 Abs. 2 der Bundesverfassung (BV) haben Radio und Fernsehen den Auftrag, die Bildung und kulturelle Entfaltung der Bevölkerung zu fördern, die freie Meinungsbildung zu unterstützen und zugleich unterhaltsame Inhalte zu bieten. Sie sollen dabei die Besonderheiten der Schweiz sowie die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kantone berücksichtigen, Ereignisse sachgerecht darstellen und die Vielfalt der Meinungen angemessen abbilden.
Die Konzession verpflichtet die SRG, mindestens die Hälfte ihrer Einnahmen aus der Abgabe für den Bereich Information einzusetzen. 2024 flossen 51 Prozent der der Einnahmen aus der Abgabe in tagesaktuelle Informations-, Magazin- und Diskussionssendungen sowie in die Einordnung nationaler und internationaler Sportereignisse. Wenn die andere Hälfte des Budgets wegfällt, ist fragliche wie andere Programmsparten aufrecht erhalten werden können.
Dank des Pacte de l'audiovisuel entstehen durchschnittlich pro Jahr rund 80 Dokumentarfilme, 35 Spielfilme und 7–8 TV-Serien. Der Pacte de l'audiovisuel hatte 2024 ein Gesamtbudget von CHF 34 Mio. Damit ermöglicht die SRG eine eigenständige Schweizer Filmproduktion, die sich über den Markt nicht finanzieren liesse. Als wichtige Förderin, tätigt die SRG aber auch Investitionen in Multimediaverträge, Sehbehindertenverträge, Entwicklungsverträge und Kurzfilme Mit halbierten Mitteln wären diese Investitionen nicht mehr möglich – ein massiver Verlust für Kultur, Kreativität und Identität.
Know-How in Grossproduktionen, Vielfalt für die Gesellschaft und Nischenthemen gehen mit dem Abbau bei der SRG für alle verloren.
Ein Vollprogramm via Radio, Fernsehen oder online, in vier Sprachen, von verschiedenen Standorten, für heute CHF 0.92/Tag : Das gibt es nur in der Schweiz und nur von der SRG.
Heute gewährleistet einzig die SRG eine Produktion von Inhalten in allen vier Landessprachen. Dadurch ist sichergestellt, dass die Perspektiven aller Regionen in der nationalen Berichterstattung vertreten sind. Bei einer Halbierung des Budgets könnte diese sprachliche und regionale Vielfalt wie wir sie heute kennen jedoch nicht mehr bestehen.
Im Falle einer Umsetzung der «Halbierungsinitiative» käme es mit grosser Wahrscheinlichkeit zu einem Konflikt mit Artikel 27 des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG), nach welchem die Programme der SRG überwiegend in den Sprachregionen produziert werden müssen, für welche sie bestimmt sind. Höchstwahrscheinlich wird das Parlament aber an Art. 27 festhalten. Folglich muss die SRG weiter in den Sprachregionen produzieren und kann nur einen Teil an einem Standort zentralisieren. Die gegenüber einem konsequenten Zentralisierungs-Szenario fehlenden Effizienzgewinne müssten dann auf anderem Weg eingespart werden. Mögliche Folgen wären dann Einbussen bei Qualität und/oder Umfang des Angebots.
In einer zunehmend digitalisierten und fragmentierten Welt ist ein verlässlicher Service public als Orientierungspunkt für die Demokratie wichtiger denn je. Ein gut funktionierendes, unabhängiges Mediensystem trägt wesentlich zum Gemeinwohl des Landes bei. Gut funktionierende Demokratien verfügen meist über starke öffentliche Medien. Eine massive Mittelkürzung dessen wäre deshalb besonders problematisch: Sie würde die unabhängige Information, die Verständigung zwischen den Sprachregionen und die politische Teilhabe schwächen – und damit das demokratische System der Schweiz beeinträchtigen.
Die SRG leistet mit ihrem Angebot einen zentralen Beitrag zur Meinungsbildung – gerade im direktdemokratischen System mit regelmässigen Volksabstimmungen. Ihre unabhängige, ausgewogene und schweizweite Berichterstattung stellt sicher, dass die Bevölkerung bei Abstimmungen auf verlässliche, umfassende und leicht zugängliche Informationen zurückgreifen kann. Damit trägt sie entscheidend dazu bei, dass demokratische Entscheidungen auf einer fundierten und gemeinsamen Informationsbasis getroffen werden.
In einer Medienumwelt, die zunehmend von globalen Plattformen wie YouTube oder Meta dominiert wird, übernimmt die SRG eine stabilisierende, demokratiepolitisch zentrale Rolle: Sie sichert verlässliche Information im Inland, während in Zukunft internationale Plattformen keine öffentliche Verantwortung für die Schweizer Demokratie tragen.
Überall auf der Welt wird Medienfreiheit zurückgedrängt. Der Grund liegt auf der Hand: Seriöse Medien sind unbequem, sie decken auf, prangern an. Was eine Demokratie braucht, sind keine «alternativen Fakten», sondern unabhängigen und kritischen Journalismus, mehr denn je. Faktencheck ist die Basis dieses Berufsfelds.
Das Gefährliche an Desinformation ist ihre Wirkung auf demokratische Prozesse. Wenn Menschen nicht mehr wissen, was wahr ist, verlieren sie das Vertrauen in Institutionen, Medien oder die Wissenschaft. Denn Desinformation ist nicht einfach nur «falsche Information». Sie ist gezielt gestreut, strategisch platziert und häufig von politischen oder wirtschaftlichen Interessen gesteuert. Ihr Ziel ist nicht primär, Menschen zu täuschen – sondern Meinungen zu formen, Misstrauen zu säen und Machtverhältnisse zu beeinflussen.
Parallel zu den rasanten Veränderungen in der Medienbranche ausgerechnet das vertrauenswürdigste Medienangebot der Schweiz abzubauen, ist unverständlich. Eine Studie zeigt: In den zwei untersuchten Sprachregionen (Deutschschweiz und Romandie) geniessen die SRG-Angebote nach wie vor das höchste Vertrauen der Bevölkerung.
In genau dieser Zeit hindert die Halbierungsinitiative in all ihren Einzelheiten die SRG konkret daran, sich der digitalen Transformation zu stellen und auch junge Menschen zu erreichen. Gemäss dem Forschungsinstitut für Öffentlichkeit und Gesellschaft (FÖG ) nutzen 53 Prozent des jungen Publikums das Onlineangebot der SRG und sogar 73 Prozent der Politik interessierten junge Menschen nutzen das SRF-Angebot.
Strukturelle Medienkonzentration begünstigt die inhaltliche Konzentration, was sich negativ auf die journalistische Autonomie, die Qualität der Berichterstattung und den demokratiepolitischen Meinungsbildungsprozess auswirkt.
Mehrere Studien kommen jedoch zum Schluss: Die Nutzung von SRG-Angeboten geht mit einer höheren Nutzung privater Medien einher, beeinflusst die Zahlungsbereitschaft für private Medien nicht negativ und wird von der Bevölkerung überwiegend ergänzend genutzt – nur 3.5 Prozent konsumieren News ausschliesslich bei der SRG.
In den letzten Jahren sind in der Schweizer Medienlandschaft wiederholt massive Einschnitte erfolgt: 2024 führt die Schliessung von Swissprinters (Druck für NZZ und Ringier) zum Abbau von 144 Stellen. Gleichzeitig streicht CH Media die Today-Portale, und Tamedia schliesst zwei von drei Druckereien, was rund 200 Stellen kostete, plus 55 bis 90 Redaktionsstellen. 2025 folgten weitere Kürzungen: Die Printausgabe von «20Min» wird eingestellt, die Regionalredaktionen bei Tamedia zusammengelegt (rund 80 Stellen), und Formate wie «G&G» und das Wissenschaftsmagazin wurden dem Rotstift angesetzt (50 Stellen).
Der Kampf um die Marktanteile und Deutungshoheit im Mediensektor besteht seit jeher. Dieser verstärkt sich umso mehr, seit die Werbeeinnahmen zurückgehen. Stattdessen entziehen die Tech-Plattformen genau diese Mittel: Ein Grossteil der Werbeeinnahmen fliesst zu Google, Meta & Co.. Genauer gesagt: jährlich fliessen in der Schweiz über CHF 1.9–2.4 Mia. Werbegelder an Google, Microsoft, Meta – mehr als die gesamten klassischen Medien erwirtschaften.