Lohn · Zeit · Respekt
(SGB) Vier Jahre nach dem grossen Streik von 2019 gibt es so gut wie keinen Fortschritt bei der Verbesserung der finanziellen und gesellschaftlichen Situation der Frauen. Im Gegenteil: Ihr Rentenalter wird angehoben und die Einkommenslücke zwischen Frauen und Männern hält sich hartnäckig. Diese Lücke ist ein massives Problem: Die Hälfte der Frauen verdiente 2020 weniger als 4’470 Franken im Monat. Vania Alleva, SGB-Vizepräsidentin, betont: «Statt vorwärts geht es mit der Gleichstellung neuerdings sogar wieder rückwärts: bei den Löhnen, bei den Renten und auch bei der Verteilung der Care-Arbeit. Noch immer ist das Einkommen von uns Frauen im Schnitt 43,2 Prozent tiefer als jenes der Männer. So geht das nicht!» Besonders tief ist das Einkommen von Frauen, die im Verkauf oder in anderen Dienstleistungsberufen wie der Gastronomie arbeiten. Dort haben die Frauen einen Monatslohn von weniger als 3100 Franken (Median). Ihre Kunden hingegen verdienen mehr als das Doppelte.
Ein zentraler Grund für die tiefen Einkommen ist die schlechte Entlöhnung von Berufen mit hohem Frauenanteil. Kleinkinderbetreuerinnen, Verkäuferinnen oder Coiffeurinnen verdienen nach der Berufslehre in Vollzeit nur zwischen 3’500 und 5’000 Franken, deutlich weniger als in Branchen mit hohem Männeranteil. Folge dieser Einkommenslücke ist eine massive Frauenrentenlücke von 34.6%. Für Natascha Wey, Generalsekretärin VPOD und SGB-Vizepräsidentin, ist die Konsequenz klar: «Arbeitsbedingungen verbessern sich, wenn Gewerkschaften stark sind und wenn kollektiv mobilisiert wird. Es braucht eine bessere GAV-Abdeckung in den sogenannten Frauenbranchen und massive Lohnerhöhungen». Deshalb haben sich die Gewerkschaften zum Ziel gesetzt, Mitglieder in Branchen mit hohem Frauenanteil zu gewinnen, um die Gleichstellung schneller vorantreiben zu können.
Betroffene fordern Schutz am Arbeitsplatz, Aufwertung der Frauenberufe und bessere Vereinbarkeit
Heute haben anlässlich der Lancierung der Kampagne für den 14. Juni sieben Arbeiterinnen aus der ganzen Schweiz die Mobilisierung angestossen. So betont Pamela Silva Barrientos, Pharmaassistentin: «Wir müssen sehr viele Aufgaben mit hoher Konzentration erledigen. Wir müssen uns ständig weiterbilden. Und trotzdem kommen wir nicht über die Runden!». Branchen mit weiblicher Mehrheit brauchen eine Aufwertung: «Im Detailhandel sind die Löhne tief. Dabei ist die Arbeit körperlich anstrengend, man ist ständig im Kundenkontakt und es wird viel Flexibilität verlangt. Wo bleibt da die Wertschätzung, wo bleibt die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben?», fragt Kerstin Maurhofer-Späh, Verkäuferin. Für Pflegerin Loreen Erras müssen sich die Arbeitsbedingungen in ihrer Branche rasch ändern: «Der Personalmangel sollte nicht mit noch schlechteren Arbeitsbedingungen verschärft werden. Die Abwärtsspirale muss mit angemessenen Arbeitsbedingungen aufgehalten werden!».
Muriel Noble, Orchestermusikerin, beschreibt, wie prekäre Karriereverläufe die Kulturwelt besonders anfällig für Missbrauch und Belästigung gegen die Frauen machen: «Wenn man eine Frau ist und noch keine feste Anstellung hat, ist es viel schwieriger, sich als Opfer von sexualisierter Gewalt zu wehren. Wir brauchen darum GAV, die für alle gelten und alle schützen. Und kurzfristig soll in allen kulturellen Einrichtungen ein detaillierter Verhaltenskodex aufgehängt werden.». Als Angestellte in der Kundenberatung und Ticketkontrolle im ÖV fordert Sarah-Julia Mois: «Der Schutz vor Belästigung am Arbeitsplatz, sei es durch Kollegen oder Kunden, gehört zu den Grundpflichten der Arbeitgeber und muss endlich ernsthaft wahrgenommen und durchgesetzt werden».