Dominanter Führungsstil oder grenzüberschreitendes Verhalten? Es war kein Kavaliersdelikt
Anfang Jahr hatte der Post von Patrizia Laeri zu einem sexuellen Übergriff, den sie als Praktikantin bei SRF erlebt hatte, Wellen geschlagen. SRF leitete eine Untersuchung ein, nachdem sich mehrere Personen mit Vorwürfen gegen die persönliche Integrität gemeldet hatten. Diese ist inzwischen abgeschlossen. Mutig haben sich 5 Personen namentlich und weitere 7 anonym beim SSM gemeldet und die Verstösse ans Tageslicht gebracht. Die Untersuchung zeigt klar, dass es verschiedene Verstösse gegen die persönliche Integrität und die Charta der Zusammenarbeit gibt..
SRF schreibt dazu: Die fünf Vorwürfe beziehen sich auf einen Umgang mit Kolleginnen und Kollegen, welcher der «Charta der Zusammenarbeit in der SRG» widerspricht.
Es folgten Taten und das Arbeitsverhältnis wurde im gegenseitigen Einvernehmen aufgelöst. Wir begrüssen, dass SRF sich zu Nulltoleranz bei grenzüberschreitendem Verhalten bekannt hat.
Was sich so sachlich liest hat jede Menge Fundament, dahinter stecken Geschichten unter denen die Mitarbeiter:innen gelitten haben, es ist mehr als ein kantiger Führungsstil. In verschiedenen Medien wurde dabei vor allem der Standpunkt des Beschuldigten hervorgehoben und die Vorfälle damit heruntergespielt. Die Betroffenen stehen nun als «ein wenig empfindlich» da. Die uns bekannten Vorwürfe gehen jedoch weit über «ruppig und nicht sehr zimperlich» (20 Minuten), «dominanter Diskussionsstil» (Blick) oder «direkter Führungsstil» (Inside Paradeplatz) hinaus.
Lassen wir die Charta der Zusammenarbeit selber zu Wort kommen:
Voraussetzung ist ein respektvolles, wertschätzendes und vertrauensvolles sowie ethisch einwandfreies Arbeitsklima ohne Diskriminierung und Regelbrüche.
Wenn sich SRF in Ihrer Stellungnahme zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf die Charta bezieht, spricht dies doch schon Bände.
Mit dem SSM wurde ein Reglement zur persönlichen Integrität vereinbart, dieses war Grundlage der Untersuchung, Verstösse dagegen wurden festgestellt:
Mitarbeitende der SRG sind vor Verletzungen der persönlichen Integrität wie Diskriminierung, Gewalt, Mobbing und sexuelle Belästigung zu schützen; Angriffe auf die persönliche Integrität sind zu verhindern und zu beseitigen
Diesen Vorsätzen hat SRF nun Taten folgen lassen und gezeigt, dass bei grenzüberschreitendem Verhalten Nulltoleranz gilt.
Es wäre natürlich naiv zu denken, nun ist die Kuh vom Eis. Die Fälle, die der Mediengewerkschaft SSM vorliegen, zeigen viel. Wir sehen verschiedene Dinge, die nun passieren müssen, um zukünftige Fälle zu verhindern. Sensibilisierung, breite Teilnahme der Mitarbeitenden an den bereits bestehenden Schulung und Entwicklung weiterer Schulungen. Sexualisierte Sprüche und grenzüberschreitendes Verhalten dürfen nicht weiter als normal gelten, denn sie erhöhen die Wahrscheinlichkeit von sexualisierter Gewalt und Belästigung. Führungskräften kommt dabei eine besondere Verantwortung zu. Es braucht eine Veränderung der Führungskultur, Mitarbeitenden muss mehr Mitspracherecht eingeräumt werden. Wichtig sind auch niederschwellige Angebote, beispielsweise die Möglichkeit, Vorfälle anonym zu melden. Und halten wir zusammen, melden uns zu Wort und lassen Verletzungen gegen die persönliche Integrität nicht zu.
Für uns hat sich gezeigt, für seine Rechte zu kämpfen lohnt sich.