1. Mai – der einzige weltumspannende Feiertag
Kundgebungen und ein rotes Fahnenmeer in beinahe allen grösseren Städten der ganzen Welt, am gleichen Tag. Dann muss 1. Mai sein, Tag der Arbeit, an dem die Arbeit ruhen soll. Der einzig wirkliche weltumspannende Feiertag. Doch: wie kam es zum 1. Mai?
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erstarkt die Arbeiterbewegung. In den Mittelpunkt ihrer Forderungen stellt sie den 8-Stunden-Tag. Um die entsprechende Kampagne voranzutreiben, verlangt der internationale Arbeiterkongress von Paris 1889 einen Tag, an dem „gleichzeitig in allen Ländern und in allen Städten die Arbeiter an die öffentlichen Gewalten die Forderung richten, den Arbeitstag auf 8 Stunden festzusetzen.“ Auf Antrag der US-Gewerkschaften entscheiden sich die Delegierten für den 1. Mai. Das Datum soll auch an den Streik von Chicago, den ersten blutigen Kampf für den 8-Stunden-Tag, erinnern. Dieser Streik begann am 1. Mai 1886 und endete drei Tage später in einer offenen Strassenschlacht. Die US-Klassenjustiz verurteilte in einem veritablen Abschreckungsprozess anschliessend 7 Arbeiterführer zum Tod.
1890: 1. Mai bereits in 34 Orten gefeiert
Am 1. Mai 1890 versammeln sich in London bereits 300‘000 Menschen zur Protestkundgebung im Hyde Park. In Deutschland gibt es nur wenige kleinere Aufmärsche. Der Kaiser hatte der Armee „erbarmungslose Unterdrückung von Unruhen“ befohlen. In der Schweiz wird der 1. Mai bereits in 34 Orten gefeiert. Der SGB zählte damals knapp 5000 Mitglieder, die SPS war ganze 9 Monate alt. Die grösste Veranstaltung gibt es in Bern, wo am frühen Nachmittag rund 2000 gezählt werden, die durch die Stadt marschieren. Hinter einer Fahne, die das „Gesetz der Menschenrechte“ fordert. Mehr Zulauf haben aber in den meisten Orten die Abendveranstaltungen. An vielen Orten kommt es zu konkurrenzierenden Aufmärschen, vor allem zwischen Einheimischen und Zugezogenen. Die Quellen zu den ersten 1. Mai-Feiern in der Schweiz sind gut erschlossen. Warum? Weil der Bundesanwalt die Manifestationen systematisch bespitzeln liess...
1919: 50'000 in Zürich
1891 entscheidet dann ein weiterer Kongress der II. Internationale, den 1. Mai nunmehr jedes Jahr als Kampftag zu begehen. Der Beschluss fällt auf fruchtbaren Boden.
1910 werden in der Schweiz 96 Orte mit 1. Mai-Feiern gezählt. In Zürich werden vor dem 1. Weltkrieg mehrmals über 10‘000 Teilnehmende gezählt. Inhaltlich dominiert bis zum 1. Weltkrieg ganz klar die Forderung nach dem 8-Stunden-Tag. Mit dem 1. Weltkrieg kommt ein Einbruch, mit der wachsenden Not der Arbeiterfamilien 1918 aber wieder ein Zuwachs an Teilnehmenden. Die grösste Schweizer 1. Mai-Demo findet 1919 mit rund 50'000 Teilnehmenden in Zürich statt. Kurz zuvor war – als späte Ernte des Generalstreiks – der 8-Stunden-Tag (genauer: die 48-Stunden-Woche) für viele Branchen eingeführt worden.
Weltweit
Weihnachten und Ostern feiert nur die christlich inspirierte Welt, Karneval ebenfalls. Neujahr ist nicht überall am 1. Januar. Der einzig wirkliche weltumspannende Feiertag ist der 1. Mai. In über 100 Staaten ist er heute Feiertag. In allen Staaten der Welt gibt es auch heute Anlässe – für die Rechte der Arbeitnehmenden und mehr soziale Gerechtigkeit.