Wir geben hier ein kurzes und heute bewegendes "Selbstporträt" wieder, das Tiziana 1990 anlässlich ihrer Kandidatur für das Präsidium des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes geschrieben hatte.
Ich bin am 14. Mai 1944 in Chiasso geboren. Mein Geburtsdatum war ein bisschen eine Enttäuschung für meinen Vater, der sehr gehofft hatte, dass sein erstes Kind am 1. Mai auf die Welt komme. Diese Enttäuschung habe ich vermutlich wettgemacht, weil ich sehr früh Gefallen fand an gewerkschaftlichen Dingen, sei es auch nur als begeistertes Ferienkind in der «Colonie dei Sindacati » in Rimini, bei Margherita Zöbeli. Ich bin sehr früh einer Gewerkschaft beigetreten, als 19jährige der PTTUnion in Lugano, als ich nach dem Gymnasium und einem Sprachaufenthalt in der deutschen Schweiz als Telefonistin arbeitete. Beruflich wechselte ich rein zufällig zum Journalismus als Sprecherin und Redaktorin beim Telegiornale des Schweizer Fernsehens in Zürich. Nach einem Amerikaaufenthalt mit meinem Mann Marco arbeitete ich wieder, zunächst einige Jahre als Teilzeitangestellte, beim Telegiornale. In diesen Jahren sind auch meine 3 Kinder geboren, die jetzt 18, 17 und 12jährig sind.
Die erste direkte gewerkschaftliche Tätigkeit übte ich als Delegationsmitglied des sehr jungen Schweizerischen Syndikats Medienschaffender (SSM) aus, bei den Verhandlungen mit der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SRG über die sogenannten Spezialverträge. Ein schöner Erfolg war für uns damals, vor 14 Jahren, dass auch die Mitarbeiterinnen mit Spezialvertrag die gleiche Entschädigung für die Mutterschaft wie im Gesamtarbeitsvertrag vorgesehen bekommen konnten. Ich wurde vor bald 10 Jahren zur Präsidentin des SSM gewählt und habe als solche an allen GAV-Verhandlungen bei der SRG teilgenommen. Diese Funktion übe ich gleichzeitig mit meinem vollen Pensum als Journalistin mit Kaderfunktion beim Telegiornale aus. Wenn ich Präsidentin des SGB werde, muss ich meine Arbeit als Journalistin aufgeben und werde eine 50%-Stelle hinter den Kulissen bei der SRG suchen. Während ich dies schreibe, denke ich, dass mir dann vielleicht zum ersten Mal seit langer Zeit ein bisschen Zeit bleibt für die Pflege meines Gemüsegartens, mein sehr vernachlässigtes Hobby. Wunschdenken? Man soll nicht vor Träumen zurückschrecken.
Quelle: Zeitschrift - Gewerkschaftliche Rundschau: Vierteljahresschrift des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, Band (Jahr): 82 (1990), Heft 5